Freitag, 27. Mai 2011

ein reinigendes GEWITTER...

gewitter im botanischen garten in singapur
copyright © karin luger, märz 2008



thunder is good, thunder is impressive. but it is the lightning that does the work.

mark twain







manchmal ist ein gewitter unausweichlich. es reinigt die atmosphäre. damit sich die aufgestaute spannung lösen kann. das gewitter ist quasi eine blitz-lösung. danach ist das gleichgewicht wieder hergestellt. doch nicht ohne spuren hinterlassen zu haben. spuren der zerstörung. weil die zerstörung bereits vor dem gewitter ihre samen gesät hat. und die zerstörung erfolgt durch den blitz, nicht durch den donner. der donner ist der lautstarke begleiter der entladung. er rüttelt auf.
zuerst hörst du nur ein fernes grollen, unbedeutend. manchmal bleibt es auch dabei. aber manchmal kommt das gewitter genau auf dich zu, direkt, und entlädt sich genau über dir. wie gut, wenn du dich dann in einem geschützten bereich aufhältst, damit du den naturgewalten nicht ausgesetzt bist. wenn dich nur der krachende donner an die urkraft erinnert, die der blitz in sich trägt.


die erscheinungen der natur spiegeln sich im menschlichen dasein wider. um des lieben frieden willens schweigst du allzu oft. wenn du wirklich ehrlich wärst, müsstest du dem anderen mitteilen, dass da ein wichtiges bedürfnis zu kurz gekommen ist. doch du willst ja nicht kleinlich sein und so sagst du nichts. zunächst ist dieses schweigen auch ohne jegliche nachwirkung. das unerwünschte verhalten des anderen war wohl eine eintagsfliege, nicht erwähnenswert, kein problem. du vergisst diese angelegenheit. beinahe. ein ganz klein wenig unangenehmes gefühl bleibt zurück. irgendwo im hintersten herzenwinkel. 


der beziehungshimmel scheint ungetrübt, bis wieder ein ereignis an dieses unangenehme gefühl erinnert. damit die sonne weiterhin vom himmel scheinen kann, wird auch dieses mal darüber hinweg gesehen. ein wenig ärger ist schon da. nur ein klein wenig. man wird doch nicht aus einer mücke einen elefanten machen. 


es beginnt sich spannung aufzubauen. du beginnst, den anderen unter einem gewissen blickwinkel zu beobachten. diese beobachtung ist nun von (vor)urteilen geprägt, du beginnst, in die unterschiedlichsten aussagen deine interpretationen einfließen zu lassen. der ärger steigt. die anspannung ebenso. und irgendwann, für den anderen völlig unvorhersehbar und überraschend, bricht sich dein ärger bahn. ein gewitter der emotionen entlädt sich. blitze des ärgers, des frusts, der enttäuschung werden ungesteuert gegen den anderen gefetzt. manche streifen die peripherie, manche verfehlen ihr ziel und manche treffen ins herz. 
und weil du sicher sein willst, dass deine botschaft auch wirklich gehört wird, ist deine stimme um einiges lauter als üblich. sie donnert.


irgendwann lässt die anspannung nach. vielleicht weinst du. vielleicht auch nicht. irgendwann versöhnst du dich. dann ist die luft wieder klar. du kannst wieder frei atmen. wie lange?


gewitter haben zerstörerisches potenzial. sie hinterlassen wunden.


es steht in deiner macht, sofort zu sagen, was du empfindest und was dir wichtig ist. 
es steht in deiner macht, nein zu sagen.
es steht in deiner macht, ehrlich zu sein.



der REGEN, die tränen des himmels ...

ein regentag an der ostküste australiens, november 2007
copyright©karin luger



die einsamkeit ist wie ein regen.
sie steigt vom meer den abenden entgegen;
von ebenen, die fern sind und entlegen,
geht sie zum himmel, der sie immer hat.
und erst vom himmel fällt sie auf die stadt.

rainer maria rilke





heute kam er, der lang ersehnte regen. von jenen ersehnt, die den boden bestellen. ich freue mich auch, dass es regnet. heute gießt der himmel meine blumen! 

der himmel weint und die erde lacht. wie nah sind freud und leid...

nach einem sommerregen erwacht die natur zu neuem leben. ich liebe diesen ganz besonderen geruch, den die warme, nasse erde verströmt. in diesen momenten wünsche ich mir aufzugehen in dieser nassen erde, in dieser braunen masse, die für sich allein gesehen so wertlos erscheint und doch alles leben ermöglicht.

es regnet. noch neigen sich die gräser, die ähren durchnässt von den tränen des himmels. den blick zum boden, als schienen sie in sich gekehrt zu sein. als ob sie wüßten, dass mit dem nächsten sonnenschein das ende naht. als ob sie die ungeduld des bauern spürten, der futter für seine tiere benötigt. 

ich sitze am fenster, blicke hinaus in den wolkenverhangenen himmel, durch den rieselnden vorhang des regens. der wind treibt die wolkenherde vor sich her. an der fensterscheibe beobachte ich zwei regentropfen, die sich näher und näher kommen - plpp, gehen sie ineinander auf und ein dicker, schwerer regentropfen läuft dem boden entgegen. dort, irgendwo, findet die nächste vereinigung statt. eines geht im anderen auf. und vergeht. 

ich sitze am fenster, blicke hinaus und blicke in mich hinein. in meine einsamkeit. werde des unfassbaren gewahr. lasse den tränen ihren lauf. irgendwoher aus meinem tiefsten innern steigt die liebe auf. als würden meine tränen einen pfad durch den urwald meiner gefühle freiwaschen. 

was auch immer war und was auch immer sein wird, ich danke, dass ich geben und nehmen darf, dass ich lachen und weinen darf, dass ich zu dem geworden bin, was ich jetzt bin. und ich danke, dass ich mir die zeit nehme, ganz einfach da zu sitzen, nach draußen und nach drinnen zu schauen. alles sein zu lassen, was ist.


Mittwoch, 4. Mai 2011

alles NEU macht der mai ...

irgendwo bei ybbsitz, 2010
copyright©karin luger
alles neu macht der mai, macht die seele frisch und frei.
lasst das haus, kommt heraus, windet einen strauß!
rings erglänzet sonnenschein, duftend pranget flur und hain;
vogelsang, hörnerklang tönt den wald entlang.


wir durchzieh´n saaten grün, haine, die ergötzend blüh´n,
waldespracht neu gemacht, nach des winters nacht.
dort im schatten an dem quell rieselnd munter, silberhell,
klein und groß ruht im moos, wie im weichen schoß.


hier und dort, fort und fort, wo wir ziehen ort für ort,
alles freut sich der zeit, die verjüngt, erneut,
widerschein der schöpfung blüht uns erneuernd im gemüt.
alles neu, frisch und frei macht der holde mai.
volksweise (hermann adam von kamp, 1818)


alles neu macht der mai ... dieser ausspruch ist mir soeben eingefallen und nun habe ich mal nachgesehen (oder auf neuhochdeutsch gegoogelt), was es denn für eine bewandtnis hat mit dieser aussage. so stieß ich auf dieses gedicht. ein bisschen holprig zwar und doch, bei genauerer betrachtung, viel mehr als ein fröhlicher muttertagsreim.


jahr für jahr bietet sich uns die chance von der natur zu lernen. der herbst lehrt uns loszulassen und darauf zu vertrauen, dass nach einer zeit der konsolidierung (=winter) neues in unser leben tritt im gewand des frühlings und wir die reifen früchte unseres tuns und seins im sommer ernten können. ein immer wiederkehrender rhythmus. der rhythmus des lebens.


und wie erleben wir diesen wundersamen kreislauf? was nehmen wir wahr? 
nun, wer in einer großstadt lebt und das glück hat, auf dem weg zur arbeitsstätte an einem park vorbei zu kommen, und womöglich auch seine blicke dorthin lenkt, der nimmt wohl den wandel der jahreszeiten wahr. im vorbeifahren. aus dem augenwinkel. 
wer einen garten sein eigen nennen kann, der erfährt die jährliche erneuerung direkt und intensiver. das sehnsüchtige warten, ob die zwiebel, die man im herbst gelegt hat, auch dieses jahr das frühlingswunder wahr werden lässt...dass aus dieser unscheinbaren knolle so wundersame blumen wie tulpen, narzissen und märzenbecher erwachsen.


und auch für uns menschen ist dieses erwach(s)en möglich! jederzeit. wenn wir es wagen, uns in diesen kreislauf einzufügen. in den kreislauf von geboren werden, gedeihen, ernten und loslassen. dies gilt für unser leben an sich, aber auch für unzählige lebensabschnitte, erlebnisse, begegnungen ...
wenn wir uns diesem rhythmus hingeben, dann eröffnet sich uns auf wundersame weise etwas neues: "widerschein der schöpfung blüht uns erneuernd im gemüt." 
und wenn wir auch physisch älter werden, die seele erblüht aufs neue, strahlt und glänzt.


wenn wir wahrhaft neu, frisch und frei werden wollen, so empfehle ich anstelle eines besuchs beim schönheitschirurgen die betrachtung einer maiwiese, mit allen sinnen!






















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