Samstag, 21. Juli 2012

WARTEN...

Lock, Jänner 2012







alles nimmt ein gutes ende
für den,
der warten kann.

leo tolstoi







alles schien bestens vorbereitet. die flüge gebucht, die versicherung abgeschlossen, bei der fremdenpolizei eine elektronische verpflichtungserklärung abgegeben und an die österreichische botschaft in peking geschickt, geld überwiesen...
damit das visum für einen 14-tägigen besuch ausgestellt werden kann.
doch es kam anders als erwartet.
lock, den ich am 4. august am flughafen in münchen abholen möchte, bekommt kein visum. nicht in der österreichischen botschaft in peking. was wir nicht wussten: als "nicht-chinese" muss er ein mindestens dreimonatiges visum für china besitzen, damit er nach österreich einreisen kann. sein studentenvisum ist nur mehr zwei monate gültig. und die erforderlichen dokumente für sein arbeitsvisum erhält er erst am 8. august.
daran ist nichts zu ändern. vorschrift ist vorschrift.

lock ist einer der beiden burschen, die ich während meiner weltreise in laos kennen gelernt habe und für die ich so etwas wie eine ersatzmutter bin.
er hat sein masterstudium an der internationalen universität in peking mit ausgezeichnetem erfolg abgeschlossen.
als er gerade 5 jahre alt war, ist seine mutter gestorben. der vater starb voriges jahr.
seine kindheit und jugend verbrachte er im tempel, freiwillig, um in die schule gehen zu können. laos ist ein sehr armes land. 
lock hatte glück. er lernte dennis kennen. einen amerikaner, der während seiner besuche in laos gratis englisch-unterricht in tempeln gibt. locks talent blieb ihm, wie mir, nicht verborgen. er hat ihm ermöglicht, in peking studieren zu können.

die zeit drängt. 
bis freitag war die hoffnung, dass die arbeitsbewilligungsdokumente noch rechtzeitig fertig werden. 
warten
und andere optionen überlegen. 
und die botschaft kontaktieren, ob es doch eine möglichkeit gäbe, ein visum zu erhalten. nein. nicht in china.

es steht fest - lock muss nach laos fliegen, um dort bei der deutschen botschaft ein visum  zu beantragen. wieder warten. und hoffen, dass alle dokumente rechtzeitig einlangen.

während ich warte, lerne ich. 
über mich. 
je länger die wartezeit, umso mehr drängeln urteile, gefolgt von ärger, sie wollen beachtung. 
warten kann ein sehr schöpferischer prozess sein. wenn du es zulässt. wenn du dich nicht von deinen (ver)urteil(ung)en vereinnahmen lässt.
ich spüre die unruhe, die besorgnis, aber auch den groll und den ärger.
ich brauche jetzt die gewissheit, dass alles zur rechten zeit in ordnung geht.
warten.
gedanken über die unsinnigkeit von grenzen, hoheitsansprüchen, botschaften, aufenthaltsgenehmigungen, hochmut und anmaßung kommen mir in den sinn...
warten.
ein anflug von ärger. eine zynische bemerkung.
dann selbstempathie.
warten.
ich vertraue darauf, dass ich lock am 4. august in meine arme schließen kann.
freude und liebe erfüllen mein herz.
und schon haben sich alle düsteren gedanken und gefühle verflüchtigt.

alles nimmt ein gutes ende für mich, die warten kann.

Dienstag, 10. Juli 2012

RUHE vor dem STURM...

langbadsee, oberösterreich, sommer 2010
copyright © karin luger


die nacht, vom wachsenden sturme bewegt,
wie wird sie auf einmal weit,
als bliebe sie sonst zusammengelegt
in die kleinlichen falten der zeit.
wo die sterne ihr wehren, dort endet sie nicht
und beginnt nicht mitten im wald
und nicht an meinem angesicht
und nicht in deiner gestalt.
die lampen stammeln und wissen nicht:
lügen wir licht?
ist die nacht die einzige wirklichkeit
seit jahrtausenden...

rainer maria rilke




eine grauschwarze wolkenfront am horizont, noch ist der himmel blau und eine angenehme brise lässt mich von unendlich langen warmen sommerabenden träumen...

mit dem heranziehen der wolken wandelt sich das laue lüftchen, die birkenkronen verneigen sich, die blätter der espen rascheln um die wette und die ähren des kornfelds wogen auf und nieder, hin und her. der wind treibt die wolken vorwärts, näher und näher.

in der ferne ein wetterleuchten. 
das gewitter rückt näher, das erste ferne donnergrollen verhallt.
und plötzlich, wie von geisterhand gesteuert, herrscht absolute stille. kein hauch bewegt die blätter der birken. kein vogelgesang. es ist still, doch nicht friedlich. es liegt eine anspannung in der luft. alles hält die luft an.

es ist, als ob sich alles duckt... wissend, dass die entladung bevorsteht. 

die natur ist unser spiegel.
auch zwischen uns menschen braut sich so manches gewitter zusammen. wenn wir unstimmigkeiten verdrängen, nicht klären, dann steigt die anspannung und irgendwann erfolgt die entladung.
wie bei einem gewitter ist danach die luft wieder klar und rein.
doch wie auch bei einem gewitter kann es sein, dass die sonne auf ein feld der verwüstung scheint. der blitz hat eingeschlagen und alles in seinem umfeld zerstört.

manchmal ist es uns einfach nicht möglich, unstimmigkeiten sofort zu beseitigen. wir haben angst vor den folgen, vor den möglichen konsequenzen.
und so steigt innerlich der groll, wie bei einem fernen gewitter...

doch welche konsequenzen, welche folgen haben wir zu tragen, wenn die anspannung in einem schlimmen streit zerplatzt? wenn die blitze des hasses und der vergeltung hernieder prasseln? wenn die stimmen aufeinander prallen und die verletzenden worte wie das donnergrollen in den ohren widerhallen.

die ruhe vor dem sturm.
ich kann sie wahrnehmen.
ich kann sie nutzen und mir der anspannung bewusst werden.

ich weiß, dass ich es in der hand habe: 
ob sich ein gewitter der bewertungen und urteile entlädt oder ob ich ein aufrichtiges und klärendes gespräch suche.

denn... was zerbrochen ist, das wird nie wieder so wie es zuvor war, auch wenn es in mühevoller kleinarbeit zusammengeklebt wird...

Dienstag, 3. Juli 2012

im LABYRINTH...

entnommen: http://labyrinth.georgetown.edu
ich lebe mein leben in wachsenden ringen,
die sich über die dinge ziehn.
ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.

ich kreise um gott, um den uralten turm,
ich kreise jahrtausendelang;
und ich weiß noch nicht: bin ich ein falke, ein sturm
oder ein großer gesang.

(rainer maria rilke)

bis heute habe ich geglaubt, dass labyrinth und irrgarten ein und dasselbe sind. wie schön und erbaulich, dass dem so nicht ist. ein labyrinth stellt einen weg zur mitte dar. und dieser weg windet sich, manchmal hin zur mitte, dann wieder weg, doch bei beharrlichem beschreiten dieses weges kommst du ans ziel. 
im irrgarten richtest du deine volle konzentration auf die wege, die gabelungen und deine richtungswechsel - damit du einen neuen und nun hoffentlich richtigen weg zum ziel findest.
im labyrinth richtest du deine volle aufmerksamkeit auf dich selbst, auf dein gehen. denn du weißt, dass du schlussendlich sicher an dein ziel gelangst. 
du weisst es. 
du brauchst dir nicht merken, wie oft und wo du die richtung gewechselt hast. 
du weisst, dass der weg das ziel ist.


ich war heute in hofkirchen (www.labyrinthe-hofkirchen.at) und habe gemeinsam mit meinen kolleginnen vom mobilen hospiz der caritas rohrbach drei labyrinthe beschritten.


das pflanzen-labyrinth der begegnung 
du schreitest durch ein meer von blüten und früchten, gerüchen und farben, tauschst dich über die namen der blumen und kräuter aus, pflückst beeren und teilst deine freude mit den menschen, denen du begegnest. du bewegst dich im kreis...und wie die blumen sich im winde wiegen, wiegst du dich unaufhörlich deinem ziele zu. schon scheinst du am ziel angekommen, doch der weg wendet sich nach außen und du entfernst dich vom zentrum.
ist es nicht im leben auch manchmal so?
so manche unerwartete wendung lässt uns wachsam werden, wir begegnen neuen menschen, die uns ein stück des weges begleiten, uns wichtige botschaften überbringen...


das stein-labyrinth der inneren einkehr
nichts lenkt mich ab. kein sonnengelb, erdbeerrot, lavendelblau...
ich gehe meinen weg entlang der steine, atme ein, atme aus...
ich gehe, ich bin.
ich gehe in der gewissheit, dass ich am rechten wege bin, denn ich gehe in liebe.
ich fühle mich mit den menschen, mit gott, mit den steinen, mit allem verbunden. der sand knirscht unter meinem schritt. 
der weg nach hause ist der weg der liebe - steht auf einer karte, die maria hier im labyrinth aufgelegt hat.
wie wahr, wie wahr...


das kunst-labyrinth der verwandlung
lavendel, lavendel, lavendel... ein meer aus lila blüten... und dazwischen skulpturen.
das leben unterliegt einem steten wandel. auch wenn wir dies nicht wahrhaben wollen.
das auge sieht.
das ohr hört.
die nase riecht.
der mund schmeckt.
die hand tastet.
ich nehme mich wahr.
ich nehme meine umwelt wahr.
in jedem augenblick liegt wandel.
nichts bleibt so wie es ist.
wir sind nur gast auf dieser erde.



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