Donnerstag, 29. Dezember 2011

abschiede...

noah verabschiedet die gäste, se ka, thailand, dezember 2011
copyright©karin luger
wie hab ich das gefühlt, was abschied heißt.
wie weiß ichs noch: ein dunkles unverwundnes
grausames etwas, das ein schönverbundnes
noch einmal zeigt und hinhält und zerreißt.
wie war ich ohne wehr, dem zuzuschauen,
das, da es mich, mich rufend, gehen ließ,
zurückblieb, so als wärens alle frauen 
und dennoch klein und weiß und nichts als dies:
ein winken, schon nicht mehr auf mich bezogen,
ein leises weiterwinkendes, schon kaum
erklärbar mehr; vielleicht ein pflaumenbaum,
von dem ein kuckuck hastig abgeflogen.
(rainer maria rilke)


solange ich wie ein kleines behendes boot auf der glitzernden oberfläche des gefühlsmeeres dahinschaukelte, schien mir das leben durchaus angenehm und freundlich. stärkere stürme überlebte ich unbeschadet, blieb ich doch immer in der nähe des hafens und bewegte mich kaum hinaus aufs offene meer. 


hat was für sich, die sicherheit. hat auch was gegen sich. 


je länger ich mich in sicheren gewässern bewegte, umso stärker wurde die angst, dass eines tages irgendetwas unvorhergesehenes passieren könnte. was sollte ich dann tun? ich war ja mittlerweile träge geworden im ruhigen hafen.
irgendwann hat die neugier über die angst gesiegt. ich habe mich hinausgewagt und so manche riesenwelle ist über mich geschwappt, hat mich hinabgezogen in die unendlichen tiefen des gefühlsozeans, hat mich losgelassen und an den strand gespült, wo mich die sonne gewärmt hat.

ich lerne mit jedem mal ein wenig mehr über mich und die welt der gefühle. über jene gefühle, die ich denke, die ich konstruiere, und über jene, die ganz tief in mir rumoren, deren intensität ich noch nicht in ihrer ganzen wahrheit erfahren habe. doch ich öffne mich ihnen jedes mal ein wenig mehr. 
und ich bemühe mich, diese gefühle ganz genau zu betrachten, diese meine gefühle!
wenn ich spüre, wie die trauer sich ausbreitet, wie eine plastikplane, die alles zudeckt und erstickt.
wenn ich spüre, wie die freude emporsprudelt, wie eine fontäne, die den himmel begrüßt.


ich habe mich auf eine reise begeben und dachte schon, dass etwas passieren wird...
doch ich wußte nicht, was genau...
ich habe in diesen tagen, die ich in thailand und nun in laos verbringe, intensive kontakte mit den unterschiedlichsten menschen gehabt. menschen aus den unterschiedlichsten milieus.
ich wurde mit solcher herzenswärme aufgenommen, die mich in erstaunen versetzte.
und auch mein abschiedsschmerz erstaunte mich. die tiefe des gefühls machte mir beinahe angst. doch nur ganz kurz. denn ich weiß, dass ich begonnen habe, wirklich zu leben. 
abschied nehmen ist schmerzhaft, denn ich scheide vergangenes von der gegenwart. und das ungewisse der zukunft strahlt darüber. werde ich diese menschen jemals wiedersehen?
doch nur im loslassen lebt die essenz. 


ist doch das leben in jedem augenblick ein abschiednehmen!


wie hat doch einst mein geliebter dichter hermann hesse geschrieben:
wohlan denn, herz, nimm abschied und gesunde!








Mittwoch, 21. Dezember 2011

weihnachten 2011

chiang mai, thailand, dezember 2011
copyright©karin luger




eines tages wird alles gut sein. das ist unsere hoffnung.
heute ist alles in ordnung. das ist unsere illusion.

voltaire (1694-1778)





ich sitze in meinem gästehaus in chiang mai, soeben vom dinner mit drei älteren herren aus den usa zurückgekehrt. dem winter entflohene, die hier die wärme suchen. äußerlich wie innerlich. es geht ihnen gut, sie genießen das leben. und doch hinterlassen sie in mir ein gefühl der einsamkeit. 
vielleicht sind sie auch nur ein spiegel, in den ich blicke. mein eigenes spiegelbild, das ich wahrnehme. durch den schleier des angenehmen lebens, des warmen klimas, des herrlichen essens blickt mich die einsamkeit an. stumm und unbeirrt. sie ist da. in mir und um mich. 

in drei tagen ist weihnachten. in zwei tagen ist der geburtstag meiner schwester susanne.
und ich übe mich im annehmen. dessen, was in mir lebendig ist. ich nehme wahr, dass ich mich einsam fühle inmitten all der menschen. ich nehme auch meine trauer wahr. dass meine schwester diese erde verlassen hat. dass sie mich zurückgelassen hat. 
doch ich hadere nicht. ich lasse diese gefühle zu, aber ich lasse sie auch wieder gehen.

der schmerz gehört zum jetzt. das jetzt vergeht jeden augenblick. so auch der schmerz. auch das glück. und auch das weihnachtsfest. 

ich werde weihnachten mit fred und seiner frau feiern. er ist jude, sie ist buddhistin, sein sohn ist moslem und ich bin christin. wir feiern, dass wir alle eins sind. dem licht entsprungen und eines tages dorthin zurückkehrend - egal, welchem glauben wir uns zugehörig fühlen.
ich werde weihnachten auch mit susanne feiern. 
es wird ein besonderes weihnachten sein.

ich wünsche allen ein ganz besonderes weihnachtsfest - eine verbundenheit mit allen menschen zu spüren, ganz besonders mit jenen, die euch sehr nahe stehen. 

weihnachten ist das fest der liebe, der vergebung und der freude!



Sonntag, 4. Dezember 2011

die märkte werden mit geld geFLUTet...


freiwillige spenden für das kumplgut, märz 2011
www.kumplgut.at
copyright©andrea niederkofler





„geld mag die schale für vieles sein, aber nicht der kern. es verschafft dir essen, aber nicht appetit, medizin, aber nicht gesundheit, möglichkeiten zum kennenlernen, aber nicht freunde, diener, aber nicht treue, tage der freude, aber nicht frieden noch glück.“


henrik ibsen (1828-1906)






flutwellen rollen übers land - einmal in wasser gehalten, das andere mal in geld. gleich hinten nach rollt die informationsflutwelle. 
wir wollen es ja wissen. 
und dann? 
was wissen wir dann, nachdem wir von den medien geflutet worden sind?
kannst du mir erklären, wie man die märkte mit geld flutet? wie stellst du dir das vor? machst du dir überhaupt gedanken, was rund um dich passiert? oder liest du die zeitung, hörst und siehst die radio- bzw. fernsehnachrichten, (die untergehen im brei aus talkshows, serien, kochshows und werbeeinschaltungen), um dich zu zerstreuen?
ich glaube auch daran, dass durch solch ein passives vorgehen eine zerstreuung stattfindet anstelle einer konzentration (auf das wesentliche - was dies auch immer für dich sein mag!).
es ist höchste zeit, das, was wir hören und sehen, zu reflektieren. kann das wahr sein? seien wir doch kritisch, nutzen wir unseren hausverstand! 
fragen wir nach, wenn uns etwas unklar ist! 
wir haben alle möglichkeiten der welt - noch nie zuvor hatten wir so viele informationsquellen, nutzen wir diese!

seit ende juli kauft die europäische zentralbank (ezb) wöchentlich anleihen im gegenwert von ca. 7,7 milliarden euro, trotzdem stieg die rendite zehnjähriger italienischer staatsanleihen auf über 7%.

ich frage mich, was da auf den bondmärkten vor sich geht...
und ehrlich - ich bin froh, dass ich nicht mehr (aktiver) teil dieses wahnsinns bin!

seit 2008 werden sowohl in den usa wie auch in europa hunderte milliarden dollars bzw. euros den banken zur verfügung gestellt - hauptsächlich durch ankauf von staatsanleihen, wodurch geld in die märkte gepumpt wird (erhöhung der liquidität). 

grundsätzlich führt eine solche transaktion zu steigender inflation...

ich frage mich, ob die veröffentlichten inflationsdaten (und auch alle anderen!) der wahrheit entsprechen...

ein winziger einblick in die welt der finanztransaktionen:
märz 2009 us notenbank (fed) kauft staatspapiere im gegenwert von 300 mrd usd an, stellt insgesamt 1 billion dollar zur stützung des finanzmarktes zur verfügung 
juni 2009 - ezb unterstützt banken mit 442 milliarden euro
dezember 2009 - weitere 100 milliarden euro werden von der ezb für banken bereit gestellt
november 2010 - fed kauft anleihen im gesamtwert von 850 bis 900 milliarden dollar zurück
november 2011 - ezb, fed, sowie die notenbanken kanadas, japans, großbritanniens und der schweiz stellen europäischen banken dollars zur verfügung
(vgl. http://www.abendblatt.de/wirtschaft/article2110990/Notenbanken-fluten-die-Maerkte-Dax-schiesst-ueber-6000-Punkte.html)


wie genau diese geldflut aussieht, habe ich nicht eruieren können - außer dass es sich um eine verbilligung von dollar-swap-geschäften handeln soll, damit die europäischen banken sich wieder leichter dollars beschaffen können. 
wie viele dollars und wie lange wie viele dollars?

wem nützt diese transaktion in wirklichkeit?
und wie lange?

wen kümmert es schon!

meines erachtens ist bereits seit 2008 alles aus dem ruder gelaufen und wir tanzen auf dem vulkan! 
wir leben im überfluss und wollen, dass die wirtschaft unaufhörlich weiterwächst.

fast wie ein krebsgeschwür, oder? das wächst auch unaufhörlich. 
oder wie eine mistel
die mistel ist ein schmarotzer und entzieht ihrem wirt sukzessive die lebenskraft!







Samstag, 3. Dezember 2011

ich MUSS...

die "desperate housewives" aus oö, märz 2011
copyright©karin luger



kein mensch MUSS müssen

gotthold ephraim lessing 
(nathan der weise)







es ist schon erstaunlich, wie oft ich am tag "müssen" sage. gut, nicht mehr ganz so viel, seitdem ich mehr aufpasse, was ich so den lieben, langen tag plappere. 

ich muss jetzt gehen, ich muss aufstehen, ich muss einkaufen, ich muss eine präsentation vorbereiten, ich muss abnehmen,...

wieso verwenden wir dieses MUSS so gerne und so oft?
was möchten wir damit signalisieren?
klingt das nicht ein wenig nach "ich würde ja gerne was anderes tun, aber...", so nach dem motto "auftrag von ganz oben, duldet keine widerrede"?
es ist wohltuend, nachzudenken, was ich will, was ich möchte. und noch wohltuender ist es, wenn ich dies auch umsetze. 

ich gehe jetzt, ich möchte morgen um 6 uhr aufstehen, gehst du bitte einkaufen, ich werde heute nachmittag meine präsentation vorbereiten, ich will abnehmen, ...

wenn ich häufig das wort MUSS verwende, dann passiert bei mir folgendes:
1. ein widerwille baut sich auf, jegliche freude schwindet und mein tun ist von unmut, und mangelnder konzentration begleitet.
2. ich gebe mit diesem kleinen wörtchen die verantwortung ab. an wen, das ist hier die gute frage! sobald ich MUSS sage, bringe ich ja zum ausdruck, dass ich gar nicht anders kann, selbst wenn ich anders wollte!

auch wenn manches MUSS so einfach dahingesagt ist, ohne größere dramatische bedeutung, so ist es trotzdem wichtig, sich selbst zuzuhören. damit nicht früher oder später dramatik ins leben einzieht.
denn die kommt spätestens dann, wenn wirklich wichtige entscheidungen anstehen. und dann wäre es äußerst hilfreich, wenn wir bereits vorher in den kleinen angelegenheiten des alltags geübt hätten.
wenn wir geübt hätten, das eine oder andere mal NEIN zu sagen.
wenn wir geübt hätten, offen und ehrlich position zu beziehen.
wenn wir erforscht hätten, was wir wirklich wollen.
denn dann fällt es uns viel leichter, auch in schwierigen situationen des lebens - sei es im beruf oder in der partnerschaft - aufrichtig zu sagen, was wir wollen.

wir müssen weder bis ans lebensende denselben job ausüben, mit denselben menschen zusammen arbeiten noch einen launenhaften chef erdulden.
wir müssen auch nicht in einer partnerschaft verhaftet bleiben, die uns schwächt.
wir müssen nicht alles hinunterschlucken, weil etwas zu sagen ohnehin nichts bringt.
diese liste kann beliebig fortgesetzt werden...

was wir tun können, ist:
fragen wir uns selbst, wenn wir wieder einmal das wort MÜSSEN ausgesprochen haben, welches bedürfnis wir uns erfüllen. 
wozu ist es gut, dass ich dies tue (obwohl ich es MUSS)
und wenn ich erkenne, dass es mir in keinster weise dient, dann ändere ich es, damit ich es nicht mehr tun MUSS.

ich übernehme verantwortung für meine aussagen und mein tun. 
das macht frei, erhöht den selbstwert und verschafft achtung, respekt und anerkennung!



Donnerstag, 24. November 2011

schau genau hin...

st. johann am wimberg, november 2011
copyright © karin luger
glücklich, wenn die tage fließen wechselnd zwischen freud und leid, zwischen schaffen und genießen, zwischen welt und einsamkeit.


johann wolfgang von goethe










heute, während eines seminars, das ich gemeinsam mit meiner schwester andrea gehalten habe, hat sich in mir einerseits etwas verdichtet und andererseits gelöst.

es handelt sich um das sein.
um das anzuerkennen, was ist. 
es geht darum, dass ich hinschaue, dass ich in mich hineinschaue. 
dass ich hinter meinen vorhang blicke. 
schaue, was sich hinter meiner angst, meiner wut, meiner hiflosigkeit verbirgt.


ich weiß das schon lange. 
mein kopf hat mir dies immer wieder erklärt. 
mein herz hat dazu wissend genickt und sich doch so manches mal zusammengezogen, hat einen sicherheitswall aufgebaut und im dunkeln ganz still abgewartet, dass sich angst, trauer, eifersucht, stolz, zorn und einsamkeit entfernen. 


die letzten jahre habe ich viel, sehr viel gelernt. ich habe zu mir gefunden, habe mich lieben gelernt, habe meinen gefühlen raum gegeben, habe schmerz zugelassen und habe akzeptiert, was ich früher nicht einmal in meinen gedanken auch nur in spurenelementen hätte annehmen können.


ja, früher... 
ja, es gab die zeit, in der ich meine (inneren) augen vorsorglich verschlossen hielt, um ja nicht etwas zu sehen, das womöglich weh hätte tun können. und wenn doch einmal ein schmerzhaftes erlebnis meine oberfläche durchstieß, dann aktivierte ich all meine kräfte, um dieses schlechte, unangenehme, schmerzhafte zu verdrängen. ich habe mich von einem wichtigen teil meines lebens selbst abgeschnitten. dieser teil erhielt von mir die etiketten hässlich, unpassend, schlecht und dann verursachte dieser teil auch noch schmerz - ich war doch kein masochist!
was ist in wirklichkeit passiert?
all diese verdrängten gefühle waren eben nur verdrängt. sie hatten sich nicht in wohlgefallen aufgelöst. sie lauerten irgendwo in einer ecke meines unterbewussten, um dann und wann wieder aufzutauchen. manchmal sogar in verkleideter form als ärger, aggression oder stolz. sie wollten mir immer nur eines mitteilen: hallo, vergiss uns nicht, wir gehören zu dir!


ich habe gelernt, mich zu beobachten. ich habe es mir zur gewohnheit gemacht, genau hinzusehen. und auszusprechen, was im moment in mir lebendig ist. es gelingt mir sehr oft und das freut mich.
wenn es mir das eine oder andere mal nicht gelingt, dann weiß ich, dass da noch eine tiefe angst verborgen schlummert, die es gilt, aufzuwecken, sie anzusehen und anzunehmen.



mit dem ersten erfolgserlebnis erwachte ein vertrauen, das seitdem unaufhörlich wächst.
ich habe erkannt, noch besser, ich habe es am eigenen leib verspürt, dass sich mit dem augenblick der akzeptanz der schmerz aufzulösen beginnt. und gleichzeitig verdichtet sich ein gefühl der freude, der liebe. ich habe keine ahnung, was da wirklich abläuft. aber ich bin so unendlich dankbar dafür, dass mich ganz viele menschen bis zu diesem, meinem ersten Schritt begleitet haben - quasi geburtshilfe geleistet haben!

...und ich empfinde das, was goethe einst aussprach: ich bin glücklich, wenn die tage zwischen freud und leid fließen...
es ist ein immerwährender zyklus zwischen verdichtung und auflösung und wir alle dürfen in diese schwingung einsteigen!

Freitag, 11. November 2011

heute vor einem jahr...

"ich sitze auf einem hocker in der küche, einer meiner lieblingsplätze in unserem neu gemieteten wochenendhaus, das fenster ist offen und ich genieße die sonnenstrahlen. unten in der stadt ist es grau und neblig. ich gehöre jetzt zu den privilegierten mit zweitwohnsitz. ich muss lächeln."

(aus dem buch meiner schwester susanne)












... ja, heute vor einem jahr, am 11.11.2010, hat meine schwester ihre erste lesung gehalten. 
im michl´s café in wien. 


wie waren wir beide aufgeregt! ich glaube sogar, dass ich aufgeregter war als susanne! wird die fahrt nach wien ohne probleme, ohne stau oder sonstiger hindernisse verlaufen, wird susanne diesen langen und anstrengenden tag aushalten, werden genügend leute da sein, wie viele menschen passen überhaupt in das café? diese und ähnliche gedanken rauschten durch meinen kopf, während ich die druckfrischen bücher in den vw polo meiner schwester lud. 


unglaublich! das gerade erst vor einem guten jahr begonnene buch lag nun in meiner hand. 
was meine schwester seit jenem tag im august, an dem sie beschloss, ein buch zu schreiben, geleistet hat, ist ein wunder. das würden mir alle gesunden autoren bestätigen, wenn sie an den weg von der idee bis zur veröffentlichung ihres ersten buches denken.
susanne hatte zu dem zeitpunkt, als sie ihr buch zu schreiben begann, bereits verhärtete, verkrümmte und vor allem schmerzende fingern. und dennoch schrieb sie tag für tag stundenlang all ihre erlebnisse und gedanken nieder, mit der hand. danach überarbeitete sie ihr buch und tippte es nun in den computer. 360 seiten umfasst ihr buch.


sie fand eine lektorin, einen verlag und zwei sponsoren, die sich entschlossen, eine größere menge an büchern bereits vor dem erscheinen fix abzunehmen. 


sie kontaktierte magazine. als sich eine journalistin des magazins "gesundheit" bereit erklärte, über susanne, ihr leben und ihr buch zu schreiben, war das eis gebrochen. einige renommierte zeitungen und zeitschriften sahen den beitrag und berichteten ebenfalls über susannes schicksal und ihren unermüdlichen willen, zum leben ja zu sagen. 


der radiodoktor auf ö1 lud meine schwester ein - ich werde nie vergessen, als der redakteur zu susanne sagte, dass es vom eingang des funkhauses bis zum aufnahmestudio nur ein paar schritte sei. und ich werde es auch nie vergessen, wie unendlich beschwerlich es für meine schwester war, den schier endlosen gang bis zum studio mit dem rollator zu bewältigen.


susannes wille, ihr buch so vielen menschen wie möglich zugänglich zu machen, ließ sie unermüdlich arbeiten. und so organisierte sie eine um die andere lesung. sie machte dies alles völlig alleine. niemand half ihr dabei. auch ich nicht. ich war zur stelle, wenn es um fahrten zum verleger, zu journalisten-bzw. fototerminen ging.


dass susanne im michl´s café, gleich hinter dem wiener rathaus, ihre erste lesung hielt und dass sie diese ganz alleine in die wege geleitet hatte, das verblüffte sogar die restaurantleiterin des cafés. denn immerhin kam vom veranstaltungsbüro des wiener bürgermeisters die aufforderung, mit frau luger bezüglich einer geplanten lesung kontakt aufzunehmen. wer war denn diese frau luger...


die lesung war für alle anwesenden ein ganz besonderes und berührendes erlebnis. susanne hat die herzen der menschen erreicht. 
ich bin so unendlich stolz, dass ich dabei sein durfte.


und heute, ein jahr später, kann ich es noch immer nicht glauben, dass ich meine schwester nie wieder berühren, nie wieder umsorgen, nie wieder in meine arme schließen kann. denn in 3 tagen ist meine schwester bereits seit 8 monaten tot.


doch ich höre sie sagen: alles wird gut.

Sonntag, 30. Oktober 2011

NATIONalfeiertag

landawirseehütte, schladminger tauern
copyright©karin luger, juni 2011





eine nation kann eine mauer um sich her errichten, doch diese mauer wird niedergerisssen werden.

krishnamurti








die nation, was ist das? eine bezeichnung für menschen gleicher herkunft, die sich zusammengefunden haben und gemeinsame bräuche pflegen, eine gemeinsame sprache sprechen und ein gewisses stück land ihr eigen nennen?


wir wollen dazu gehören. ein teil eines ganzen sein. eine verbundenheit durch dieselben wurzeln wissen.
einerseits.
und andererseits?
wir wollen uns abgrenzen von anderen. wir wollen nur ein ganz bestimmter teil des ganzen sein. wir haben angst vor dem fremden.


wie kommt es, dass eine nationalität "gut" ist und eine andere "schlecht"?
wer gibt uns das recht, über andere solche urteile zu fällen - und dann nicht nur über einzelne menschen (was schon problematisch genug ist), sondern gleich über ganze nationen, einige millionen menschen...


ist nicht die ERDE unsere heimat? und selbst dies scheint übertrieben angesichts des kurzen zeitraums, den wir hier verbringen. denn in wahrheit sind wir ALLE nur gast auf erden. egal, welche hautfarbe wir haben, welche sprache wir sprechen, welche häuser wir bauen und welche bräuche wir pflegen.
wir sind hier auf besuch.
also, ehrlich - ich bewundere den gleichmut der erde.
denn ich würde solche besucher keine halbe stunde dulden. besucher, die mein zuhause so derart in mitleidenschaft ziehen, würde ich kurzerhand vor die türe setzen.


anstatt dafür zu sorgen, wie wir verantwortungsvoll mit uns selbst, unseren mitmenschen und unserem gastgeber erde umgehen, feiern wir irgendwelche vergangene ereignisse und  bekräftigen alte ängste. 
wir leben entweder in der vergangenheit oder in der zukunft.
das heißt ja de facto, dass wir gar nicht wirklich leben...


ich wünsche mir, dass grenzen überflüssig sind, dass wir alle menschen respektieren und dass wir uns einander zuwenden in liebe.
ich wünsche mir statt des nationalfeiertages einen erdefeiertag, oder besser, ich wünsche mir 365 erdefeiertage!

Sonntag, 2. Oktober 2011

ein ganz besonderes geburtstagsGESCHENK

blick vom loser auf das ausseer land
copyright © karin luger, oktober 2011






von allen geschenken, die uns das schicksal gewährt, gibt es kein größeres gut als die freundschaft - keinen größeren reichtum, keine größere freude.

epikur von samos









meine liebste freundin irene hat mir zwei tage geschenkt
zwei tage mit ihr im ausseer land. 
der himmel war uns wohlgesonnen und schenkte uns ein wetter der superlative!

irene und ich haben es immer schon verstanden, das leben zu genießen - unsere gemeinsamen urlaube waren stets geprägt von gegenseitiger achtsamkeit, spaß, freude und akkzeptanz dessen, was war. ob die sonne schien, ob es in strömen regnete oder schneite - wir wussten immer, das beste aus der situation zu machen.

angesichts dieser beider tage fällt mir ein ausspruch von goethe ein, äußerst zutreffend und schon bei anderen gemeinsamen erlebnissen gerne zitiert:
"nichts ist schwerer zu ertragen als eine reihe von schönen tagen."

ich finde kaum worte für die emotionen, die mich erfüllten und noch immer meine seele so wohlig einhüllen.
wer die berge liebt, der kann nachvollziehen, wie bewegend es ist, am gipfel zu stehen und den blick über die bergketten schweifen zu lassen. 
du erfährst die mächtigkeit und ewigkeit der berge. 
du erfährst tiefe dankbarkeit und demut.
wenn du all dies mit einem menschen teilen kannst, mit dem du tiefe verbundenheit spürst, dann bist du dem paradies schon ziemlich nahe.

und so kam ich heute abends nach hause - reich beschenkt
zwei wolkenlose spätsommertage in einer der wohl schönsten regionen der welt.
zwei tage nur für irene und mich, an denen wir über unsere sorgen, träume, erlebnisse  und erfahrungen gesprochen haben - an denen sich unsere freundschaft weiter vertiefte.
zwei tage voller kulinarischer köstlichkeiten - angefangen mit einer cremeschnitte auf der loser hütte über ein lachssteak auf kohlrabigemüse und rahmpolenta im hotel "wasnerin" bis hin zu gemüselaibchen auf der blaa alm.
zwei tage, an denen wir unsere lungen mit reiner bergluft füllten und unsere augen mit einer phänomenalen fernsicht (vom dachsteingletscher bis zum großvenediger) verwöhnten.

ich danke dir, liebe irene... 







Mittwoch, 28. September 2011

gesellschaft und ALTER(nde menschen)

mitglied des naxi-orchesters, lijiang, china
copyright © karin luger, dezember 2007




alternde menschen sind wie museen: nicht auf die fassade kommt es an, sondern auf die schätze im innern.

jeanne moreau






machst du dir auch manchmal gedanken, wie du deinen lebensabend verbringen möchtest? hast du schon pläne geschmiedet, um all das zu erleben, wofür du jetzt keine zeit hast? weil dann, im wohlverdienten ruhestand, kannst du endlich das leben genießen. und weil ja die lebenserwartung ständig steigt, steht einem die momentan fehlende zeit dann in hülle und fülle zur verfügung.

ich wünsche dir von ganzem herzen, dass du einen erfüllten lebensabend verbringen kannst. 
dass du gesund bleibst, geistig wie körperlich. 
dass du unabhängig bleiben kannst. 
dass du dann menschen um dich hast, die dich schätzen und lieben. 
dies wünsche ich dir wie mir!

ich besuche von zeit zu zeit alte menschen in einem pflegeheim der stadt linz. dort wohnen diejenigen, die das leben nicht mehr genießen. für viele ein ort, an dem sie nie sein wollten und an dem sie sich nicht wohl fühlen. 
wo sie dennoch gut aufgehoben sind. 
ich habe in meiner abstellkammer auch ein paar alte sachen aufgehoben.
immerhin: aufgehoben ist besser als weggeworfen.

das bewusstsein einer gesellschaft ist für mich daran erkennbar, wie deren mitglieder ihre alten menschen, ihre kinder, ihre beeinträchtigten menschen und ihre minderheiten behandeln.
viele dieser genannten haben sehr oft eine wenig attraktive fassade vorzuweisen - mindestens genauso oft finden wir wertvolle schätze in ihrem innern.
aber wen kümmern schon schätze, die man nicht gleich sehen kann?
in unserer gesellschaft sind die menschen unaufhörlich damit beschäftigt, ihre fassaden auf hochglanz zu polieren. 
mit botox, selbstbräunungscremen und kosmetiksalons. 
mit designerkleidung, schmuck und schicken autos. 
mit rhetorikkursen, fitness-studios und master-studiengängen.

welchen beitrag, bitte, können da unsere alten menschen leisten?
was, bitte, zählt denn deren "erfahrung"? 
die zeiten haben sich geändert - gewaltig. 

ich kann jedem empfehlen, sich die zeit zu nehmen, um alten menschen gesellschaft zu leisten, ihnen zuzuhören und sie dabei zu betrachten. es ist bereichernd, belebend und berührend. 
und wenn es dann noch dazu deine eigenen eltern sind, ist es gleichzeitig befreiend... wenn du es zulassen kannst...


Donnerstag, 22. September 2011

whores´glory - ein hurenfilm





essen und beischlaf sind die beiden großen begierden des mannes.

konfuzius




ich spüre noch immer eine beklemmung und traurigkeit. und eine wut. whores´glory - dieser film lässt dich in die tiefe des menschlichen daseins blicken. in ein paar facetten dieses daseins. in die welt der prostitution, die weder die seelen der männer und schon gar nicht die seelen der frauen zu nähren vermag.  
an drei schauplätzen in thailand, bangladesh und mexiko war ich zaungast bei prostituierten. 


was unterscheidet den menschen vom tier?
wir menschen haben das geschenk des bewusstseins erhalten. sich seiner selbst und seiner umwelt bewusst zu sein. mithilfe unseres intellekts sind wir in der lage, erkenntnisse zu gewinnen, zu reflektieren und somit aktiv das eigene leben gestalten zu können. nicht, so wie die tiere, dem instinkt folgend zu handeln.


wie sehr wünsche ich mir eine sexuelle befreiung. 
sie soll ja schon stattgefunden haben. man spricht über sm-studios, geht in swinger-clubs, lässt sich die klitoris piercen und kann über eine beträchtliche anzahl von "one-night-stands" berichten. 
all dies und noch viel mehr hat nicht im geringsten mit der befreiung zu tun, die ich meine.
ich spreche von der liebe zur eigenen sexualität, von der liebe zum eigenen körper. denn sexualität ist untrennbar mit unserem körper verbunden. wenn ich meinen körper, in dem ich wohne, liebe, berühre, erforsche...wenn ich spüre, wo meine lust wohnt und mit ihr spiele, lerne ich mich selbst in einer ungeahnt tiefen und mächtigen dimension kennen.


auch dafür haben wir unseren intellekt erhalten. dass wir uns selbst in unserer körperlichkeit (er)kennen lernen. dass wir steuern können, wie wir dieses kennen lernen praktizieren wollen. dass wir lernen, dass unsere sexualenergie zu unserem lebenselixier werden kann.


bis dahin ist noch ein weiter weg. ein bewusttwerdungsweg. für männer wie für frauen. 


ich wünsche mir dies vor allem für all die vielen frauen, deren herz, deren wille gebrochen ist, deren lebenskraft bereits in jüngsten jahren verblichen ist.


damit sprüche wie "nach dem essen sollst du rauchen oder eine frau gebrauchen" der vergangenheit angehören.



Donnerstag, 8. September 2011

我爱你

jadedrachenschneeberg, lijiang, china,  dezember 2007
copyright © karin luger


我爱你
wo ai ni
ich liebe dich



geliebt zu werden macht stark.
selbst zu lieben macht mutig.

chinesische weisheit






monatelang habe ich nicht einen blick in meine chinesisch-bücher geworfen. seit dem tod meiner schwester susanne war mir dies (aus welchen gründen auch immer) nicht möglich - ich hatte eine innere sperre. zwei jahre lang hatte ich mich zuvor abgemüht, diese schier unmöglich zu erlernende sprache zu verinnerlichen. habe schriftzeichen um schriftzeichen wieder und wieder zu papier gebracht, habe mich in die welt der 1., 2., 3. und 4. töne eingelebt - mit mehr und weniger erfolg. 
und dann fiel der vorhang. vorstellung beendet.

so dachte ich und habe es akzeptiert. so, wie es eben war. kein gedanke darüber, dass ich unnötig geld investiert hatte, dass ich mich für nichts und wieder nichts geplagt hatte, dass ich stunden über stunden verschwendet hatte. 
allein dies zeigt mir, dass ich gelernt habe - fürs leben gelernt habe.

heute ist etwas passiert. 
mein hirn kann es noch nicht wirklich einordnen. 
mein herz hingegen freut sich. ja, es jubiliert.
und das, obwohl die tränen der trauer meinen blick verschleiern. 

ich spüre, heute ist ein besonderer tag.
mir wird bewusst, dass ich mich in einem großen puzzlebild befinde, das sich stück für stück vervollkommnet. und ich bin ein teil dieses bildes. ein teil von vielen tausenden und abertausenden. scheinbar unerheblich, unwichtig. 
doch jetzt wird mir klar, dass jedes einzelne, auch noch so kleine teilchen von unermesslich großer bedeutung ist. denn erst alle teilchen zusammen bilden ein vollständiges bild, das einen eindruck des vollkommenen beim betrachter hinterlässt.
fehlt ein teilchen, lenkt es den blick des betrachters auf eben diese mahnende stelle - den ort des unvollkommenen.

stell dir vor, du hast ein puzzle mit 7 milliarden teilchen und dir fehlt ein teil.
7 milliarden ... aber bitte - da fällt einem doch niemals auf, dass ein mini-mini-teilchen fehlt. 
ja, wenn diese teilchen ungeordnet umherliegen. 
doch wenn jedes teilchen an seinem bestimmten platz liegt, dann sticht eine auch noch so winzige lücke ins auge des betrachters.

ich höre eine chinesische dvd, sehe die schriftzeichen eingeblendet. 
ich freue mich darüber, dass ich einige wieder erkenne.

wo ai ni - ich liebe dich ...
danke - xie xie ...

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