Freitag, 11. November 2011

heute vor einem jahr...

"ich sitze auf einem hocker in der küche, einer meiner lieblingsplätze in unserem neu gemieteten wochenendhaus, das fenster ist offen und ich genieße die sonnenstrahlen. unten in der stadt ist es grau und neblig. ich gehöre jetzt zu den privilegierten mit zweitwohnsitz. ich muss lächeln."

(aus dem buch meiner schwester susanne)












... ja, heute vor einem jahr, am 11.11.2010, hat meine schwester ihre erste lesung gehalten. 
im michl´s café in wien. 


wie waren wir beide aufgeregt! ich glaube sogar, dass ich aufgeregter war als susanne! wird die fahrt nach wien ohne probleme, ohne stau oder sonstiger hindernisse verlaufen, wird susanne diesen langen und anstrengenden tag aushalten, werden genügend leute da sein, wie viele menschen passen überhaupt in das café? diese und ähnliche gedanken rauschten durch meinen kopf, während ich die druckfrischen bücher in den vw polo meiner schwester lud. 


unglaublich! das gerade erst vor einem guten jahr begonnene buch lag nun in meiner hand. 
was meine schwester seit jenem tag im august, an dem sie beschloss, ein buch zu schreiben, geleistet hat, ist ein wunder. das würden mir alle gesunden autoren bestätigen, wenn sie an den weg von der idee bis zur veröffentlichung ihres ersten buches denken.
susanne hatte zu dem zeitpunkt, als sie ihr buch zu schreiben begann, bereits verhärtete, verkrümmte und vor allem schmerzende fingern. und dennoch schrieb sie tag für tag stundenlang all ihre erlebnisse und gedanken nieder, mit der hand. danach überarbeitete sie ihr buch und tippte es nun in den computer. 360 seiten umfasst ihr buch.


sie fand eine lektorin, einen verlag und zwei sponsoren, die sich entschlossen, eine größere menge an büchern bereits vor dem erscheinen fix abzunehmen. 


sie kontaktierte magazine. als sich eine journalistin des magazins "gesundheit" bereit erklärte, über susanne, ihr leben und ihr buch zu schreiben, war das eis gebrochen. einige renommierte zeitungen und zeitschriften sahen den beitrag und berichteten ebenfalls über susannes schicksal und ihren unermüdlichen willen, zum leben ja zu sagen. 


der radiodoktor auf ö1 lud meine schwester ein - ich werde nie vergessen, als der redakteur zu susanne sagte, dass es vom eingang des funkhauses bis zum aufnahmestudio nur ein paar schritte sei. und ich werde es auch nie vergessen, wie unendlich beschwerlich es für meine schwester war, den schier endlosen gang bis zum studio mit dem rollator zu bewältigen.


susannes wille, ihr buch so vielen menschen wie möglich zugänglich zu machen, ließ sie unermüdlich arbeiten. und so organisierte sie eine um die andere lesung. sie machte dies alles völlig alleine. niemand half ihr dabei. auch ich nicht. ich war zur stelle, wenn es um fahrten zum verleger, zu journalisten-bzw. fototerminen ging.


dass susanne im michl´s café, gleich hinter dem wiener rathaus, ihre erste lesung hielt und dass sie diese ganz alleine in die wege geleitet hatte, das verblüffte sogar die restaurantleiterin des cafés. denn immerhin kam vom veranstaltungsbüro des wiener bürgermeisters die aufforderung, mit frau luger bezüglich einer geplanten lesung kontakt aufzunehmen. wer war denn diese frau luger...


die lesung war für alle anwesenden ein ganz besonderes und berührendes erlebnis. susanne hat die herzen der menschen erreicht. 
ich bin so unendlich stolz, dass ich dabei sein durfte.


und heute, ein jahr später, kann ich es noch immer nicht glauben, dass ich meine schwester nie wieder berühren, nie wieder umsorgen, nie wieder in meine arme schließen kann. denn in 3 tagen ist meine schwester bereits seit 8 monaten tot.


doch ich höre sie sagen: alles wird gut.

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