noah verabschiedet die gäste, se ka, thailand, dezember 2011 copyright©karin luger |
wie hab ich das gefühlt, was abschied heißt.
wie weiß ichs noch: ein dunkles unverwundnes
grausames etwas, das ein schönverbundnes
noch einmal zeigt und hinhält und zerreißt.
wie war ich ohne wehr, dem zuzuschauen,
das, da es mich, mich rufend, gehen ließ,
zurückblieb, so als wärens alle frauen
und dennoch klein und weiß und nichts als dies:
ein winken, schon nicht mehr auf mich bezogen,
ein leises weiterwinkendes, schon kaum
erklärbar mehr; vielleicht ein pflaumenbaum,
von dem ein kuckuck hastig abgeflogen.
(rainer maria rilke)
solange ich wie ein kleines behendes boot auf der glitzernden oberfläche des gefühlsmeeres dahinschaukelte, schien mir das leben durchaus angenehm und freundlich. stärkere stürme überlebte ich unbeschadet, blieb ich doch immer in der nähe des hafens und bewegte mich kaum hinaus aufs offene meer.
hat was für sich, die sicherheit. hat auch was gegen sich.
je länger ich mich in sicheren gewässern bewegte, umso stärker wurde die angst, dass eines tages irgendetwas unvorhergesehenes passieren könnte. was sollte ich dann tun? ich war ja mittlerweile träge geworden im ruhigen hafen.
irgendwann hat die neugier über die angst gesiegt. ich habe mich hinausgewagt und so manche riesenwelle ist über mich geschwappt, hat mich hinabgezogen in die unendlichen tiefen des gefühlsozeans, hat mich losgelassen und an den strand gespült, wo mich die sonne gewärmt hat.
ich lerne mit jedem mal ein wenig mehr über mich und die welt der gefühle. über jene gefühle, die ich denke, die ich konstruiere, und über jene, die ganz tief in mir rumoren, deren intensität ich noch nicht in ihrer ganzen wahrheit erfahren habe. doch ich öffne mich ihnen jedes mal ein wenig mehr.
und ich bemühe mich, diese gefühle ganz genau zu betrachten, diese meine gefühle!
wenn ich spüre, wie die trauer sich ausbreitet, wie eine plastikplane, die alles zudeckt und erstickt.
wenn ich spüre, wie die freude emporsprudelt, wie eine fontäne, die den himmel begrüßt.
ich habe mich auf eine reise begeben und dachte schon, dass etwas passieren wird...
doch ich wußte nicht, was genau...
ich habe in diesen tagen, die ich in thailand und nun in laos verbringe, intensive kontakte mit den unterschiedlichsten menschen gehabt. menschen aus den unterschiedlichsten milieus.
ich wurde mit solcher herzenswärme aufgenommen, die mich in erstaunen versetzte.
und auch mein abschiedsschmerz erstaunte mich. die tiefe des gefühls machte mir beinahe angst. doch nur ganz kurz. denn ich weiß, dass ich begonnen habe, wirklich zu leben.
abschied nehmen ist schmerzhaft, denn ich scheide vergangenes von der gegenwart. und das ungewisse der zukunft strahlt darüber. werde ich diese menschen jemals wiedersehen?
doch nur im loslassen lebt die essenz.
ist doch das leben in jedem augenblick ein abschiednehmen!
wie hat doch einst mein geliebter dichter hermann hesse geschrieben:
wohlan denn, herz, nimm abschied und gesunde!